Bis zum Ende des 19. Jh. lässt sich Landschaft als Symbiose von Mensch und Umwelt, von Naturraum, Kulturfläche und Siedlung verstehen. Die Bodengüte, Topographie und Witterungsbedingungen bestimmten Art und Umfang landwirtschaftlicher Nutzung. Aus dieser engen Bindung von Natur und Mensch entwickelte sich die zweckgebundene Hofform. Diese Bindung löst sich zunehmend auf. Damit entfernt sich der Mensch von seinen Wurzeln, verliert Bodenhaftung und Heimat.
Was bedeutet dies für unsere Dörfer?
Entwickeln sie sich zu Gebilden von aneinandergereihten, individuellen, zusammenhanglosen Häuserketten? Lässt man sich von Hochglanzprospekten und dem Versprechen von einem pflegeleichten nicht alternden Haus mit perfekter Oberfläche überzeugen? Oder erkennt man, dass ein Haus altern darf und vielleicht sogar noch schöner dabei wird, dass ein handwerklich bearbeitetes Material einer industriell hergestellten makellosen Oberfläche weitaus überlegen ist, dass die Spuren, die Menschen an Häusern hinterlassen diese zur Heimat werden lassen.
Gelingt es uns gemeinsam die Identität der Orte zu stärken und die Geschichte unserer Häuser zu bewahren, d. h. konkret eine neue Nutzung für die alten Bauerhöfe zu finden und zu erhalten und auch den neuen Gebäuden einen Sinn für unsere Kultur mitzugeben?
Scheune im Sauertal
Das Gehöft liegt an einem zur Sauer führenden Weg und setzt sich zusammen aus Wohn- und Ökonomiegebäuden, Brennerei und Kapelle. Das Wohnhausportal trägt auf dem Sturz die Inschrift:
LINCKELS HAT DIS HAVS GEBAVE ANNO 17..
Inschrift auf dem Sturz des Wohnhausportals
Die ehemalige Scheune und Stallungen sollten umgebaut werden. Es sollten Lagerräume, Werkstatt, Büroräume mit Archiv, Technikraum für eine zentrale Heizung und ein Waschraum entstehen. Weiter sollte eine Verbindung zwischen dem Wohnhaus, Archivräumen und den verschiedenen Lagerebenen hergestellt werden.
Das Wohnhaus und das Wirtschaftsgebäude sollten neue Dächer erhalten und die Außenanlagen mit einem neuen Hoftor, Carport, Buchenhecke und einem geschützten Sitzplatz mit Birnenspalier neu gestaltet werden.
Herangehensweise
Das Wirtschaftsgebäude wird bis auf die tragenden Außenwände entkernt und gesichert, alte Fensteröffnungen wieder freigelegt und eine neue Bodenplatte betoniert. Die erhaltenen Wände werden vom Maurer noch im Rohbau mit einem vor Ort gemischten Kalkzementmörtel beworfen.
In die steinerne Außenhülle wird vom Zimmermann eine neue Holzkonstruktion aus heimischer Fichte eingefügt. Sie besteht aus einem unbeheizten Werkstatt- und Lagerbereich, sowie einem beheizten Archiv mit Aufenthaltsbereich und dem Technikraum auf jeweils unterschiedlichen Boden-
niveaus. Verbindendes Element ist die Holzbohlentreppe, deren Stufen zwischen die Lattenkonstruktion eingeschoben sind. Aus heimischer Fichte werden sägerauhe Bodenbretter, wanddicke Türen, raumhohe Regale, Tische und Sitzmöbel gefertigt.
Das neue Tor an der Rückfassade wird in traditioneller Drehtechnik wieder hergestellt. Schwarze Installationen und robuste Leuchten unterstützen den Werkstattcharakter.
Innere Werte
Das alte Gebäude war dunkel und entsprach der Nutzung als Stall und Futterlager. Die neue Scheune ist lichtdurchflutet. Ohne zusätzliche Ver-änderungen an der Fassade, nur durch das geschickte Setzen von zwei neuen großen Lichtöffnung-
en in der rückwärtigen Dachfläche werden helle Räume mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen.
Die Arbeit in dieser Scheune, die gelagerten Materialen, die Menschen, die sich hier aufhalten, werden am rohen Holz, auf dem rohen Beton und dem rauen Putz Spuren hinter-
lassen. Alle Baumaterialien sind so gewählt, dass sie in
Würde altern dürfen und mit den Spuren der Alterung Geschichten erzählen werden.
In einer Zeit, in der Häuser zu Einwegprodukten für Lebensabende erstellt, aus industriell vorgefertigten Halbzeugen mit hauchdünnen Oberflächen montiert, unsere Orte und letztendlich bei ihrer Entsorgung unsere Umwelt belasten, wollen wir zeigen, dass es möglich ist, ein Gebäude zu schaffen, dessen Materialität und Robustheit die Kraft hat einen Ort zu definieren, der in Erinnerung bleibt. Einen Ort mit Identität. Heimat definierend.
Die eingefügte neue Holzkonstruktion aus heimischer Fichte. Tür zum Aufgang mit der zwischen die Lattenkonstruktion eingeschobenen Holzbohlentreppe Detail der in die Außenhülle eingeschobenen Holzkonstruktion Zusätzlich zur Scheune wurde auch ein Carport erstellt Lage zum Haupthaus Diverse Details der umgewidmeten Scheune
Architekten
Rainer Roth Architekt,
Meckel
Tragwerksplaner
Ingenieurbüro Arno Schmitz,
Burbach-Neustraßburg
Holzbau
Zimmerei Borne
Newel
Fotografin
Christine Schwickerath
54675 Wallendorf Deutschland