Neubau einer Schule
Form
Für Schüler sollte ein großes Holzhaus gebaut werden
Wie auch die didaktischen Konzepte sich bisweilen auf Ihren Ursprungsgedanken zurückbesinnen, um einen einfacheren und fokussierten Blick auf den Sinn der Schule zu bekommen, so wurde auch hier die Konstruktion und die Technik in Ihrer gesamten architektonischen Ausgestaltung soweit zurückgenommen, dass wieder altbekannte Baustoffe wie Holz und Lehm, sowie die Technik der natürlichen Lüftung zur Ausführung kam. Das Ergebnis ist ein zukunftsträchtiges Pilotprojekt das sich in den städtischen Kontext eingliedert.
Konzept und stadträumliche Struktur
Der Grundgedanke des Entwurfs lässt sich in einem reduzierten Leitbild ausdrücken: Einen komfortablen Ort zum Lernen und Lehrern im Kontext mit einem nachhaltigen Baukörper zu schaffen.
Auf einer bereits durch einen Parkplatz und einer Tagespflegeklinik versiegelte Fläche wurde ein neues Schulgebäude geplant. Dabei bietet die viergeschossige Schule eine sehr komfortable Lernumgebung für 450 Schüler, ohne mehr Fläche zu versiegeln, als vor der Baumasse schon versiegelt war. Im Ost-West ausgerichteten Gebäude sind 27 Klassenräume, ein administrativer Bereich, ein Mehrzweckraum und eine Cafeteria untergebracht.
Die Volumetrie ist eine reinterpretierte Zusammenführung von zwei asymmetrisch geneigten Dächern einer Scheune oder eines großen Landhauses. Damit nimmt man die Silhouette des Gebäudes von der Straße aus, als Teil der städtischen Raumordnung wahr. Diese Ansicht der geneigten Giebel wird vorrangig wahrgenommen und in dieser zeigt sich auch die unterschiedliche Neigung der beiden Dachhälften, welche sich über dem Haupteingang verschneiden.
Zonierung / Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit, Ökologie und Energieeffizienz bilden die Eckpfeiler für die Planung des neuen Schulgebäudes. Merkmale, wie optimierte Tageslichtverhältnisse, geringe Lärmemissionen, schadstoffarme Innenräume, gutes Innenraumklima und Baustoffe mit geringer Umweltbelastung stellen für die Planung des Lyzeums noch zusätzliche Anforderungen dar. Zusammengefasst wurden diese durch konsequente Planung und danach entsprechend des Schweizer Zertifikats Minergie-P-Eco umgesetzt.
Zusätzlich zu diesem Zertifikat war der Anspruch ein Plusenergiegebäude zu errichten. Dies wird durch zwei Maßnahmen ermöglicht:
- Minimierung der Energieverluste durch die Außenhülle, durch eine sehr gute Dämmung aller Bauteile und eine kompakte Bauweise.
- Einsatz erneuerbarer Energien. In diesem Fall Photovoltaikelemente auf dem Dach zur Erzeugung elektrischer Energie und Solarpaneele an den Fassaden zur Beheizung des Gebäudes.
Durch die gewählte Neigung des Daches, die für die Photovoltaikanlage notwendig ist, entsteht ein großzügiger Dachraum, der das Kellergeschoss ersetzt und für die Technik- und Nebenräume genutzt werden kann. Die Photovoltaikelemente dienen gleichzeitig zur Dacheindeckung und bilden eine geschlossene und homogene Dachhaut als dachintegrierte Bauweise.
Die Süd-West und die West-Fassade sind mit Solarpaneelen belegt, welche einen 90.000L großen Wassertank, im Mittelpunkt des Gebäudes mit Energie “betankt”. Dieser speichert die Energie für den Winter, welcher auch bei tiefen Temperaturen und in der Übergangszeit bei sonnigem Wetter wieder aufgeladen wird, und gibt die Energie über neu entwickelte Ventilatorkonvektoren an die Nutzräume ab. Der Tank steht im Zentrum des Haupttreppenhauses. Jeder Nutzer und Besucher läuft um ihn herum und wird sich des Ausmaßes bewusst.
Konstruktion / Gebäudehülle
Struktur und Hülle
Aus intensiven Vorstudien hat sich ergeben, dass die Grundstruktur des Gebäudes optimalerweise aus Holz sein sollte, da damit die Graue Energie, in diesem Fall am geringsten ist. Nach grundlegenden Überlegungen und Variantenabwägungen der unterschiedlichen Bauprinzipien im Holzbau, wurde eine Stützen-Träger-Konstruktion zurückbehalten, welche zwei wichtige Punkte löste:
1. Die Struktur selbst ist so flexibel, dass das Gebäude später leicht umgenutzt werden kann. Die leichten Trennwände zwischen den Räumen können z.B. einfach herausgenommen werden und eine freie Geschossfläche kann zur neuen Raumdisposition entstehen.
2. Der konsequente Einsatz von Holz als Baustoff hat einen positiven Einfluss auf die graue Energie. Das verbaute Holz bindet das CO2 aus der Umwelt und im Falle eines Abrisses, kann das Holz demontiert und in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Die tragenden Decken sind ebenfalls aus Holz und vereinen einerseits den Nutzen des tragenden Elements, und andererseits eine optimierte Akustik durch eine Perforierung der Deckenuntersicht in den Räumen. Auf Grund der großen Spannweite von über 8 m und zur Reduzierung der Holzmasse sind die Decken nicht aus Vollmaterial hergestellt, sondern als Hohlelemente, die den Anforderungen gerecht werden. Auch die Rückwände der Klassenräume sind aus Holzplatten erstellt, welche als Pinwand genutzt werden können und die Sprachverständlichkeit im Raum optimieren.
Um dem Genius Loci gerecht zu werden und eine ehrliche Haut zur Struktur zu finden, ist die Fassade mit Holzlamellen bekleidet und die innenliegenden Wandelemente ebenfalls aus einer Holzstruktur erstellt. Lediglich die Fluchttreppenhäuser sind als aussteifende Elemente mit den entsprechenden Brandschutzanforderungen aus Beton hergestellt worden.
Materialien
Vorgabe der Zertifizierung war eine maximale Redzierung der Grauen Energie, um nach Vorgabe des Bauherrn, nach maximal 50 Jahren Betrieb weniger Energie verbraucht zu haben, als für den Bau, Betrieb und Rückbau verbraucht wurde. Das Ziel wurde insofern übertroffen, als dass rechnerisch dieser Punkt schon nach 42 Jahren erreicht wird.
Konstruktiv wurde dies mittels der Materialien Holz und Lehm erreicht, als auch durch die Doppelnutzung von verschiedenen Bauteilen. Z.B. die Deckenelemente sind oberflächenfertig und gleichzeitig akustisch wirksam. Die Wände sind aus Lehmtrockenbauplatten mit Lehmputz verputzt, sodass kein Anstrich notwendig ist. Und das Gebäude steht nicht auf Betonfundamenten, sondern auf Rüttelstopfsäulen (Schottersäulen ohne Bindemittel, die in den Boden eingetrieben werden und durch die erhöhte Reibung die notwendige Lastabtragung gewährleisten)
Haustechnik
Wie oben bereits geschrieben, sind die Lösungen integraler Bestandteil der Ausgangssituation. Dies sowohl konstruktiv, als auch technisch. Von Anfang an wurden vom Bauherrn alle Planungsbeteiligten in das Projekt involviert um die optimale Lösung für die Gesamtaufgabe zu finden.
Darunter befanden sich neben den Haustechnikern und Statikern auch ein Brandschutzgutachter, ein Energieberater, der Zertifizierungsberater, ein Akustiker und ein Bauökologe. Dabei wurde zur Findung des Baukonstruktiven Konzeptes eine Analyse des Statikers auf Grundlage der Lasten und Spannweiten gemacht, eine Analyse des Brandschutzgutachters zur Erreichung des REI90 Schutzziels, des Akustikers zum Schallschutz zwischen den Geschossen und eine Analyse der grauen Energie durch den Zertifizierungsberater und Bauökologen. Erst danach wurde das Konzept bestimmt und dies auch für viele andere Planungsziele, wie auch der Baustruktur, die Massgebend war, um ein Plusenergiegebäude zu konzipieren.
Die Konstruktion des Gebäudes als Holzstützenkonstruktion mit vorgehangenen Fassadenelementen, wurde gewählt um die Lasten aus dem Gespärr des Dachgeschosses über die 4 Vollgeschosse nach unten abzuleiten. Die Aussteifung erfolgt dann über die ehedem auf Grund des Schutzziels der Entfluchtung in Beton ausgeführten Treppenhäusern gewährleistet.
Ein Besonderheit ist, dass zur optimalen natürlichen Belichtung der Klassenräume, die Fenster sturzfrei ausgeführt werden mussten. Somit konnten keine Unterzüge zwischen den Stürzten ausgeführt werden, auf denen die Decken hätten aufgelegt werden können. Somit mussten die Deckenelemente von unten nach oben unter einen Überzug mittels ca. 90cm langen Schrauben hochgehangen werden.
Von seiten der Haustechnik wurde auf eine konventionelle Heizung verzichtet. Dieser Ansatz kommt aus der innovativen Grundidee, das Gebäude solar zu betreiben. Das heisst man speichert die Solare Energie in einem Saisonalspeicher im Inneren des Gebäudes um die Energie im Winter in den Raum abzugeben und nutzt für den elektrischen Bedarf Photovoltaikmodule auf den Dächern, um diesen zu decken.
Zur Minimierung des Verbrauchs wurden dazu Ventilatorkonvektoren konzipiert, die mit einem Minimum an Temperatur die Energie des Speichers in den Raum transportiert. Die Heizung erfolgt dabei über das Medium Luft, welches nicht über Lüftungskanäle geführt wird. Die Flure dienen als überdimensionale Luftkanäle mit frischer Luft im unteren Bereich und CO2-belasteter Luft im oberen Bereich.
Die Frischluftversorgung ist hybrid ausgeführt. Im Winter erfolgt die Frischluftversorgung über Quellluftauslässe in den Fluren und im Sommer öffnen sich Fassadenfenster im Flur automatisch, kühle Luft strömt ein und bildet einen bodennahen Kaltluftsee in den Fluren, welcher von den Ventilatorkonvektoren angesaugt, bei Bedarf über einen Wärmetauscher erhitzt, und in die Klassenräume eingeblasen wird. Über den Zugangstüren befinden sich schallgedämmte Überströmöffnungen, über welche die warme, verbrauchte Luft wieder in den Flur geleitet wird. All diese Elemente sind in die Baustruktur und die Architektur integriert. Sie sind Teil der Schreinerarbeiten mit Innentüren und Schrankelementen. Die Thermik lässt die Luft dann zum zentralen Treppenhaus strömen, wo diese rein über die Thermik über ein Dachoberlicht ins Freie geleitet wird, bzw. im Winter zur Wärmerückgewinnung des Lüftungsgerätes geführt wird. In der Folge sind keine waagerechen Lüftungskanäle in den Nutzungsbereichen erforderlich, sowie Flure wie Hauptnutzräume haben Zwischendecken oder
Lüftungskanäle.
Diese Elemente: dachintegrierte Photovoltaik-Elemente auf dem Dach und die Solarkollektoren in der Fassade bilden die Energieerzeugung des Gebäudes. Über ein Niedertemperaturnetz (Betriebstemperatur 25/22°C) mit Ventilatorkollektoren in den Innenwänden zwischen Flur und Klassenräumen wird die Wärme in die Räume transportiert. In den Vorgaben zur Planung war ein Informatikraum mit einer elektrischen Anschlussleistung von 20 kW enthalten dessen Abwärme, ebenso wie die Abwärme der Wechselrichter, in dieses Netz eingespeist werden sollte. Leider wurde die Leistung der Informatik auf < 1 kW reduziert, so dass die für den Peakbadarf vorgesehene zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen jetzt zur Grundheizung benötigt werden.
Beschreibung der energetischen Eckdaten
- Fläche Photovoltaik auf dem Hauptdach: 1768 m²
- Fläche Photovoltaik auf dem Vordach: 97 m²
- Fläche Solarmodule in der Fassade: Summe 348,25 m²
- System der Solarmodule: Warmwasserkollektoren mit Sammler aus Kupferrohr
- Energiekennwert der Ventilatorkonvektoren Ca. 8 W für eine Luftmenge von 360 m³/h
- CO2- optimierte Lüftungsanlage: Die Luftmenge der beiden Kombigeräte Verwaltung (4.000 m³/h und Klassenzimmer 10.000 m³/h) wird über den CO2- Gehalt in den Fluren automatisch von den Basisluftmengen (1.000 bzw. 3.900 m³/h) auf Nennluftmengen erhöht. Da statt der vorgesehenen ca. 420 Schülern nur ca. 250 Schüler im ersten Jahr anwesend waren, genügte eine mittlere Luftmenge von ca. 1.100 bzw. 5.500 m³/h um CO2-Werte < 1000 ppm zu gewährleisten. In Bezug auf den Energiebedarf der Lüftungsanlage genügte eine
- elektrische Leistung von ca. 600 W statt der Nennleistung von ca. 9 kW bei Nennluftmengen.
- Das Gebäude weist eine Bruttonutzfläche von 7.968,8 m² auf und wurde mit einem elektrischen Energiebedarf von 12.318 kWh/a geheizt. Dies entspricht einem spezifischen Energiebedarf von nur 1,54 kWh/m² Jahr.
- Die Heizperiode für Wärmepumpen begann am 1. November 2019 und endete am 1. April 2020.
- Da die für die Informatik im Konzept vorgesehene Leistung von 20 kW auf < 1 kW in der Realität reduziert wurde, ersetzten die Wärmepumpen den Leistungsanteil der Informatik.
- Der Energiebedarf für die Heizsaison 2019/2020 teilt sich wie folgt auf:
- 3.275 kWh Heizungspumpen 26,6%
- 242 kWh Solarpumpen 2,1%
- Rechenwert 1000 kWh
- 3.945 kWh Wärmepumpe 1 34,1%
- Jahreswirkungsgrad (COP) 4,9
- 4.098 kWh Wärmepumpe 2 35,4%
- Jahreswirkungsgrad (COP) 4,9
Da die Solarpumpen nicht nur während der Heizsaison in Betrieb waren, sondern auch im Sommer, wurde hier ein Rechenwert von 1000 kWh berücksichtigt.
Besonderheiten
Resümee: Dieses nachhaltige Gebäude ist aus architektonischer, wie auch technischer Sicht ein Pilotprojekt beruhend auf einem innovativen Konzept, sodass es in erster Linie dem Nutzer und im gleichen Zuge der Gemeinschaft zuträglich ist. Es zeigt, dass durch intelligente Planung ein Gebäude geschaffen werden kann, welches nicht teurer sein muss, als ein vergleichbares, konventionelles Gebäude. Damit kann ein ökologisches und ökonomisches Gebäude entstehen, welches durch die Flexibilität über Jahrzehnte genutzt werden kann.
Weitere Preise mit Auszeichnungen zu diesem Projekt:
Nationale Preise:
- Green Solutions Awards 2019 erhalten von Construction21.org national (pôle d’innovation technologique pour la construction durable Neobuild et l’Ordre des architectes et des ingénieurs-conseils)
- Prix solaire Luxembourgeois 2019 erhalten von euro solar Lëtzebuerg a.s.b.l.
Internationale Preise:
- Nomination for the European Union Prize for Contemporary Architecture – Mies van der Rohe Award 2019
- European Solar Prize 2019 erhalten von Eurosolar; European Association for Renewable Energy
- Special Mention of the Sustainable Construction Grand Prize 2019, powered by Construction21.org international. (192 Teilnehmer aus 37 Ländern der Welt)
Projekt-Steckbrief
Adresse
Impasse avenue Lucien Salentiny, 1
L-9080 Ettelbrück
Luxemburg
Projektart
Neubau einer Schule
Bauzeit / Fertigstellung
September 2016 – September 2019
Flächen / Kubatur
BGF 8554 m² / BRI 36025 m³
Anzahl der Geschosse
-4
Bauart
Massivholzkonstruktion
Erreichter Energiestandard
Energie Plus
Heizwärmebedarf
1,54 kWh/(m²a)
Energiearten
- Photovoltaik
- Solar
- Wärmepumpen
Projektbeteiligte
Bauherren
Administration des bâtiments publics
Architekt
FabeckArchitectes SARL
Rue du Château, 1
L-8385 Koerich
www.fabeckarchitectes.lu/fr/le-bureau-fabeck-architectes
Fachingenieur/in
Betic S.A – Ingénieurs Conseils
Tragwerksplanung
Daedalus Engineering S.à.r.l.
Holzbau
Prefalux S.A
Sonstige Beteiligte
EBP Schweiz AG, Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH & Co. KG.
Fotografien
Christian Aschman, LCGDP, FABECK ARCHITECTES S.A.R.L.
9080 Ettelbrück Luxemburg