Eingeschossige Baukörper mit Flachdach

Projekt Energie autarkes Gebäude in Modulbauweise

Neubau eines Büros in Holzmodulbauweise

Form

Keywords: Energie autarkes Gebäude; Fassade als Holz-Beton-Verbund; Fassadendämmung mit Zellulose; Betonmasse als thermischer Speicher mit Selbstregeleffekt; Wärmeenergiespeicher; tragende Betonfassade als Wärmespeicher mit schaltbarer Vakuumdämmung; Energiefassade; Beton mit 100% RC-Zuschlag; Modulbauweise; Multifunktionale Bauteile; Bauteilintegrierte Haustechnik;

Ausgangslage

Der Neubau InnoLiving® wurde als Ergänzung zu unserem bestehenden Gebäude, einem alten Forstamt aus dem Jahr 1923 geplant. Mit dem Bau werden zusätzliche Büroarbeitsplätze mithilfe einer einfachen Gebäudestruktur bereitgestellt. Aufgrund unserer Erfahrung mit vorgefertigten Bauteilen sollte das gesamte Gebäude vollständig von der Bodenplatte bis zum Dach aus Fertigteilen hergestellt werden. Nur so konnte das Ziel einer kurzen Bauzeit von ca. 1 Woche erreicht werden.

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Entwicklung eines energieautarken Gebäudekonzeptes. Wir wollen damit nachweisen, dass wir nur mit der unendlich zur Verfügung stehenden Umweltenergie den alltäglichen Betrieb des Gebäudes sicherstellen können. Wir nutzen das durch die jeweilige Wetterlage vorgegebene Temperaturniveau, um die ausgewählte Temperatur einzufangen, um anschließend abzuspeichern und für die spätere Nutzung bereitzustellen.

Zonierung

Das neuartige Energiekonzept für InnoLiving®

Demzufolge haben wir das Gebäude und seine Bauteile so entworfen, dass die folgenden Aspekte der Wärmeenergie berücksichtigt wurden:

  • Wärmeenergie sammeln (verschiedene, möglichst einfache Techniken nutzen, um die Energie einzufangen)
  • Wärmeenergie speichern (zum Einsatz kommen diverse und unterschiedliche Speichertechniken, um auf unterschiedlichem Niveau dieTemperatur abzuspeichern)
  • Wärmeenergie verteilen (sowohl die Verteilung über Strahlung als auch über Konvektion stehen für einen optimalen Einsatz zur Verfügung)

Während die vorgenannten Techniken eine aktive Steuerung erforderlich machen, sollte diese um eine möglichst einfache Technik mit passiven Elementen ergänzt werden. Dazu setzen wir auf den Selbstregeleffekt von massiven Bauteilen, die eine kurzfristige thermische Raumregulierung in Form eines
Pufferspeichers übernehmen. Selbstverständlich sollte die Klimatisierung einen hohen Nutzerkomfort bieten, indem die Räume sowohl beheizt als auch gekühlt werden. Zudem erfolgt die Versorgung mit Frischluft über eine mechanische Lüftungsanlage.

Lösungsansatz: Vorfertigung in Modulbauweise

Die Herstellung des Gebäudes erfolgte in Modulbauweise mit vorgefertigten Bauteilen in der Kombination von mehrheitlich RC-Beton und Holz. Die Elemente für einen Modul werden als multifunktionale Bauteile (u. a. integrierte Haustechnik, Dämmung und Wärmespeicher) im Werk hergestellt und vor Ort zusammengebaut. Insgesamt wurden 32 m3 Beton und 23 m3 RC-Beton sowie 15m3 Holz zu 88 % aus den umliegenden Wäldern und 13 m3 Zellulosedämmung verbaut.

Ein Modul mit der Breite von 3.0 m besteht aus den beiden tragenden Stirnwänden und der weitgespannten Decke (L = 10.0 m). Die übrigen Fassaden sowie die inneren Trennwände sind als nichttragende Bauteile vorgesehen. Die multifunktionalen Deckenelemente tragen frei und übernehmen die Kühlung und die Heizung des Raumes über Strahlung mithilfe der in dem Querschnitt eingelegten Rohrleitungen.

Konstruktion / Gebäudehülle

Das Gebäude in Modulbauweise besteht komplett aus einzelnen Fertigteilen, die auf der Baustelle zusammengesetzt werden. Die weitgespannten Deckenelemente in Spannbeton erlauben großzügige Räume. Mit der Montage der beiden tragenden Stirnwände und der aufliegenden Deckenplatten ist die Konstruktion bereits komplett. Alle Fertigteile wurden als multifunktionale Bauteile geplant. Die Decken wurden bereits mit der integrierten Haustechnik (Heizen, Kühlen, Lüftung, Akustik, Beleuchtung) im Werk hergestellt.

Auch die Wandelemente erfüllen multifunktionale Aufgaben. Fassadenbekleidung, Dämmung und thermische Masse wurden zu einem neuartigen Holz-Beton-Hybridbauteil miteinander verbunden. Diese Kombination ermöglicht zusätzliche werkseitige Einbauteile wie z. B. die Fensterlaibungen inkl. der Fensterbänke. Der Baustoff Holz sowie die erstmalige Verwendung von Beton mit einem Anteil von Zuschlägen aus 100 % rezyklierten Material machen die neuartige Hybridwand zu einem sehr nachhaltigen Produkt.

Dank dem sehr hohen Grad an Vorfertigung konnten sowohl der Rohbau als auch der Ausbau in sehr kurzer zeit fertiggestellt werden.

Materialien

Fassadengestaltung

Der eingeschossige Baukörper mit Flachdach fügt sich in den städtebaulichen Kontext ein und zeichnet sich durch seine formal geometrische und körperliche Klarheit aus. Das Materialkonzept ist auf wenige Komponenten beschränkt. Beton und Holz sind das charakteristische Merkmal und prägen die Gestaltung sowohl von außen sowie auch von innen.

Sichtbetonelemente im Sockelbereich sowie dem Dach in Kombination mit einer horizontalen Holzfassade aus Lärche und mattschwarzen Elementen bilden einen harmonischen Gesamteindruck der Fassade mit atmosphärischen Details.

Eine geschosshohe Pfosten-Riegel Konstruktion aus Eichenholz zieht den Blick auf sich und öffnet zudem den Blick von innen zu dem Bestandsgebäude. Es ist das vermittelnde Element zwischen dem Innen- und dem Außenraum und kombiniert die gestalterische Funktion mit dem funktionalen Mehrwert der Energiegewinnung.

Aufgrund der hohen Anforderungen an den Energiestandard wurde besonderer Wert auf die Ausführung der Fassade und deren Dämmung gelegt. Sowohl die optische Erscheinung als auch die Anforderungen an die Nachhaltigkeit haben dann eindeutig den Ausschlag für die Ausführung einer Holzfassade gegeben. Die Holzständerbauweise ermöglicht steife, vorgefertigte Großtafeln für die direkte Montage vor Ort. Der hohe Grad an Vorfertigung ermöglichte auch den werkseitigen Einbau der Fensterlaibungen.

Konstruktions-Besonderheiten

Hybridwand aus Holz und RC-Beton als Fassadenelement

Die gewählte Fassadenkonstruktion in der Kombination Holz und Beton stellt eine der bei diesem Bauvorhaben umgesetzten Innovation dar. Es liegt nahe, die Kombination der beiden Baumaterialien für ein neues Produkt, die Hybridwand zu nutzen. Denn der Beton liefert die Masse für die passive thermische
Speicherung und die Holzständerkonstruktion überzeugt durch die hohe und nachhaltige Dämmung mit Zellulose, sowie der Option einer attraktiven Fassadengestaltung. Aufgrund der statischen Beanspruchung konnten wir den Beton mit Zuschlägen aus 100 % RC-Material herzustellen, und damit von der DAfStb-Richtlinie abzuweichen, die nur max. 45 % von RC-Material zulässt.

Die dünne Betonwand dient als aussteifende Platte in Verbindung mit der Holzständerbauweise. Der Beton übernimmt die Funktion des thermischen Speichers und dient zugleich als Dampfsperre für die Fassade. Die passive Speicherung von thermischer Energie mit Masse ist ein einfaches Verfahren, um die Raumtemperaturen zu begrenzen bzw. konstant zu halten.

Dazu nutzt man den Selbstregeleffekt, indem Wärme automatisch gespeichert wird, wenn die Temperatur des Raums höher liegt als diejenige der Wand. Ändert sich die Temperaturdifferenz wie z. B. bei der Nachtauskühlung, wird die gespeicherte Wärme wieder freigegeben.

Die dünne Betonscheibe ist die ideale Ergänzung, um den leichten Baukonstruktionen zusätzlich mit thermischer Speicherfähigkeit auszustatten. Der Nutzerkomfort wird damit erheblich verbessert. Ein weiterer Vorteil der im Verbund stehenden Betonwand liegt in der werkseitigen Integration von Leitungen jeglicher Art.

Pfosten-Riegel Konstruktion für die Energieglasfassade

Eine weitere Innovation stellt die doppelschalige Glasfassade dar, die zur Erzeugung von Wärmeenergie genutzt wird. Die Pfosten-Riegel Konstruktion bietet ausreichend Raum zwischen der zweifachen Verglasung an der Außenseite und der einfachen Verglasung zum Innenraum. Der Zwischenraum übernimmt die Funktion eines Gewächshauses.

Die durch die Sonneneinstrahlung erwärmte Luft wird über den Wärmetauscher in Form von Rippenrohren aufgesaugt und gespeichert. Die Verschattung auf der Innenseite verstärkt den Erwärmungseffekt. Die zusätzlich in der Glasfassade eingebauten PCM-Speicher versorgen sich in den Sommermonaten mit kalter Nachtluft, um tagsüber das Gebäude zu kühlen.

Überschuss an Wärmeenergie Die im Gebäude InnoLiving® verteilten Energiesammelstellen in Verbindung mit den vielen Speicherelementen ermöglichen eine autarke Energieversorgung des Neubaus, um damit Heizen und Kühlen zu können, sowie den Strom für den Betrieb zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus wird soviel Energie erzeugt, dass das nebenstehende alte Forstamt mit Wärme versorgt wird. Die Ladesäule für E-Autos ist zudem an den Stromspeicher angeschlossen

Haustechnik

Ein neuartiges Energiekonzept ermöglicht auf natürliche Art und Weise Wärmeenergie einzusammeln, zu speichern und auf Anforderung hin im Raum zu verteilen.
Die unendliche zur Verfügung stehende Wärmeenergie aus der Umwelt in Form von verschiedenen Temperaturniveaus wird für die spätere Verwendung gespeichert. Je nach Bedarf wird die gespeicherte Energie dem Raum zur Verfügung gestellt. Diverse Speichertypen (Wasser, Beton, Erdreich, PCM) stehen für die unterschiedlichen Temperaturniveaus zur Verfügung. Verschiedene natürliche Maßnahmen (wie z. B. Effekt vom Gewächshaus, Befeuchtung mit Wasser, etc.) ermöglichen gewollte Temperaturverschiebungen. Bedarfsweise werden ergänzend Peltier Elemente genutzt, um die erforderlichen Temperaturverschiebungen direkt vorzunehmen.

Peltier Elemente arbeiten analog den Wärmepumpen mit hohen COP-Werten. Der für den Betrieb der Anlagetechnik (Pumpen, Ventilatoren, Peltier) erforderliche Strom wird über die PV-Anlage inkl. einem Stromspeicher bereitgestellt. Somit erfolgt die Energieversorgung ohne jegliche Gerätschaften wie z.B. Wärmepumpe oder Kältemaschine, sondern nur auf der Basis der naturgemäß zur Verfügung stehenden Wärmeenergie auf verschiedenen Temperaturniveaus. Angepasste EnEV Nachweis:

Da das gewählte Konzept zur Gebäudetechnik neuartig ist, lässt es sich nur bedingt mit den Kriterien der derzeitigen EnEV erfassen, um dann eine einzige Zahl zur Klassifizierung zu erhalten. Wir haben die Berechnung entsprechend angepasst, um vergleichbare Aussagen treffen zu können.

Der Primärenergiebedarf beträgt 72,9 kWh/ (m2 a)
Der Heizwärmebedarf (Nutzenergiebedarf ) beträgt 108,5 kWh/ (m2 a)

Dieser hohe Wert ist dem ungünstigen Verhältnis von Fassade zu Volumen geschuldet. Aufgrund dieser Werte beträgt der Energiestandard KFW 55 passend zu einem Nichtwohngebäude. Vergleicht man die erforderlichen Aufwendungen für die Energie für ein Wohngebäude, würde man den Energiestandard von KFW 40 erreichen.

Besonderheiten

Das Gebäude InnoLiving® stellt in jeder Hinsicht ein Versuchsbau mit vielen innovativen Elementen dar, bei dem unter realen Bedingungen getestet wird. Mit dem Bau manifestiert die Firma Innogration ihre Haltung, neue Entwicklungen rasch anzugehen, gewerkeübergreifend Materialien und Verfahren einzusetzen und schlussendlich es nicht bei Sandkastenübungen zu belassen, sondern die neuen Ideen auch baulich umzusetzen.

Bereits bei der Konstruktion wurden neuartige Techniken eingesetzt wie die Holz-Beton-Verbund Fassade, neue Materialien wie R-Beton mit einem 100% Zuschlag aus rezykliertem Material und die neue tragende Wandkonstruktion, die dank der Dämmung mit einer schaltbaren Vakuumhülle auch die Funktion eines Wärmespeichers übernimmt. Die vielen Techniken zum Einsammeln der unendlichen Wärmeenergie in Verbindung mit diversen Speichersystemen sorgen schlussendlich dafür, das Gebäude Energie autark zu betreiben.

Das Gebäude steht als Büroeinheit zur Verfügung, soll aber auch einen laufenden Versuchsbetrieb ermöglichen, um Erfahrung mit den neuartigen und innovativen Produkten und Verfahren zu sammeln. Nur so werden eine Weiterentwicklung und eine flächendeckende Anwendung bei zukünftigen Bauvorhaben erst möglich

Projekt-Steckbrief

Adresse

Cusanusstr.23
54470 Bernkastel-Kues

Projektart

Neubau eines Büros in Holzmodulbauweise

Bauzeit / Fertigstellung

April 2020

Flächen /Kubatur

BGF 68 m² / BRI 202 m³

Anzahl der Geschosse

-1

Bauart

Hybridwand aus Holz und RC-Beton als Fassadenelement

Erreichter Energiestandard

KfW 55 für Nichtwohngebäude; KfW 40+ vergleichbar für Wohngebäude

Heizwärmebedarf

108,5 kWh/(m²*a)

Projekt-Beteiligte

Bauherren

Innogration GmbH

Architekt

Innogration GmbH
Dipl.-Ing. T. Schmitt
Cusanusstr.23
54470 Bernkastel-Kues
www.innogration.de

Fachingenieur/in

TGA/Bauphysik: Innogration GmbH

Tragwerksplanung

Domostatik GmbH

Holzbau

Oster Dach + Holzbau GmbH

Sonstige Beteiligte

Betonwerk Büscher GmbH & Co. KG
Zöllner Fensterbau GmbH

Fotografien

Dipl.-Ing. T. Schmitt, Innogration GmbH

Projekt Energie autarkes Gebäude in Modulbauweise
Cusanusstr.23
54470 Bernkastel-Kues Deutschland
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